Podiumsgespräch mit Vertreterinnen verschiedener monotheistischer Religionsgemeinschaften

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Ich lebe mein Leben! Mutgeschichten

Auf dem Podium berichteten sieben Frauen ihre jeweils eigenen, ganz persönlichen  Mutgeschichten. Sie sprachen darüber, was sie daran gehindert hat oder hindert, ihr Leben so zu leben, wie sie es sich vorstellen und was Ihnen Mut macht, neue Wege zu finden. Die Moderation hatte Gisela Groß-Ikkache.

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Die blinde Theologin Susanne Krahe

Den Anfang machte die evangelische Theologin und freie Schriftstellerin Susanne Krahe. Sie erblindete vor fast 30 Jahren in Folge einer Diabetes und konnte weitere Folgeschäden ihrer Krankheit nur durch eine doppelte Organtransplantation überleben. „Mir wurde ein neues Leben geschenkt und auch eine neue Einstellung“, sagte sie. In der schwierigsten Zeit ihres Lebens half ihr die Begleitung durch eine gute Freundin, die immer wieder Mut machte. Auch die Erfahrung, dass Gott bei denen ist, die nicht stark sind und die scheitern, trug. Aus dieser Perspektive liest sie heute biblische Texte.

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Die aus dem Iran geflüchtete Bahaí-Frau Hoda Mobasher

Houda Mobasher lebt seit vier Jahren in Deutschland. Sie erlebte, was es bedeutet, aus religiösen Gründen diskriminiert zu werden. Als Angehörige der Bahai-Religion konnte sie im Iran nicht studieren. Sie studierte dann an einer Online-Universität, die von Bahai initiiert wurde, aber die Abschlüsse sind nicht überall anerkannt. Als sie nach Deutschland kam, musste sie bei Null anfangen und sehr darum kämpfen, einen Platz an einer Universität zu bekommen. Für sie ist es wichtig, die eigenen Träume nicht aufzugeben, sondern sich für sie einzusetzen und nicht aufzugeben.

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Sarah Streese von der jüdischen Gemeinde Pinneberg

Sara Streese, die der liberalen jüdischen Gemeinde in Pinneberg angehört, will nicht nur an sich selbst denken, auch wenn die Mehrheit das tut. Unterstützung für diese Haltung findet sie in ihrer religiösen Tradition, in der Tora, z.B. in der Geschichte von Abraham und Sara, die drei Fremde aufnehmen, sie bewirten und beschützen, ohne zu fragen, woher sie kommen und wer sie sind. Ihr Beispiel sollte wegweisend für unseren Umgang mit geflüchteten Menschen heute sein.

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Moderation: Gisela Groß-Ikkache

 

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Die Muslima und Slam-Poetin Kübra Böler

Die Muslimin Kübra Böler hat erlebt, wie es ist, wenn der eigene Körper streikt und nicht so funktioniert, wie frau sich das vorgestellt hat. Die eigene Schwäche anzunehmen, fiel der aktiven und engagierten jungen Frau sehr schwer, es löste Ängste und Unsicherheit aus. Aber es hat sie auch zum Nachdenken gebracht und zu der Einsicht, dass sie ihr Leben ändern will. „Wir sollten daran denken, dass wir endlich sind und schauen, was uns wirklich wichtig ist“, war ihr Fazit.

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Die katholische Ordensschwester Gudrun Steiß (La Xavierè)

Gudrun Steiß ist seit 25 Jahren katholische Nonne in einem französischen Orden. Obwohl sie nicht aus einer christlichen Familie stammt, fand sie den Weg zum Glauben und stieß damit in ihrem Umfeld zum Teil auf große Skepsis und Vorbehalte. Große Schwierigkeiten bereiteten ihr Vorurteile. Alle schienen immer zu wissen, wie eine katholische Nonne zu sein hat, nur stimmte das überhaupt nicht mit ihrem Selbstbild überein. Dies und auch die Erfahrung, als Deutsche in Frankreich bei älteren Menschen aufgrund der Kriegsgeschichte auf massive Vorurteile zu stoßen, sensibilisierte sie für den Umgang mit kulturellen und religiösen Unterschieden. Akzeptanz und Verzicht auf Gewalt sind möglich, wenn wir immer wieder in Beziehung gehen, offen sind und zuzuhören.

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Fatima Emari: Muslima und Schülerin einer katholischen Schule

Fatima Emari ging als Muslimin auf ein katholisches Mädchengymnasium und stellte fest, dass die Mehrheit dort keineswegs so homogen war, wie sie anfangs annahm. Das schärfte ihren Blick, genau hinzusehen. Genau und kritisch hin schaut sie auch auf unsere Gesellschaft, in der uns vorgegaukelt wird, dass wir frei und selbstbestimmt seien, es aber gleichzeitig sehr klare Vorgaben gibt, was gelingendes Leben ist. Als Muslima, die ein Kopftuch trägt, erlebt sie nahezu täglich, wie es ist, wenn eine Frau nicht in die vorgegebenen Raster passt. „Mut ist für mich, das zu hinterfragen und auch, die eigene Religion selbstbewusst nach außen zu zeigen.“

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Die Muslima Khola Maryam Hübsch

Ganz ähnliche Erfahrungen hat auch die Muslimin Khola Hübsch, deutsche Journalistin und Publizistin deutsch-indischer Herkunft, gemacht. Sie erzählte, wie wichtig es für sie war, dass ihre Eltern ihr Religion ohne Zwang und sehr authentisch vorgelebt haben. „Ich glaube, dass Gott sehr konkret erfahrbar ist“, sagte sie. Der Koranvers „Ist Allah nicht genug?“ begleitet und ermutigt sie, zu ihrem Glauben zu stehen und auch öffentlich dafür einzutreten, gerade weil es viele Vorurteile gegenüber dem Islam gibt.

Im anschließenden Gespräch mit dem Publikum ging es um die Bedeutung von Gemeinschaft und Solidarität über Religionsgrenzen hinweg, gerade auch in Bezug darauf, Vorurteilen entgegen zu wirken. Sara Streese machte deutlich, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen Jüdinnen und Musliminnen gäbe, z.B. gebe es auch im Judentum Bekleidungsvorschriften. Sie engagierte sich gemeinsam mit Musliminnen an einer Protestaktion gegen das Burkini-Verbot in Frankreich und gewann so neue, wertvolle Kontakte. Beim Thema Kopftuch/Burka sei mehr Differenzierung notwendig, mahnte Fatima Emari an. Oft würde davon ausgegangen, dass Muslime Werte wie Freiheit und Gleichberechtigung nicht teilen würden. Houda Mobasher betonte, dass wir versuchen sollten, unsere Vorurteile beiseite zu legen und erst einmal mit den Menschen zu sprechen. Gudrun Steiß knüpfte daran an: Es gehe darum, Feindbilder abzubauen und die innere Logik der Anderen zu verstehen. Eine Teilnehmerin resümierte: „Ich fand die einzelnen Geschichten sehr ermutigend. Sie zeigen, dass wir alle wachsen. Wir sind nicht vollständig oder fertig. Es braucht immer wieder Mut für den nächsten Schritt.“